Der Bundesgerichtshof hat in den vergangenen Jahren eine ausdifferenzierte Rechtsprechung zu Vertragsstrafenklauseln entwickelt. Verwendet der Auftraggeber in seinem Vertragswerk als Allgemeine Geschäftsbedingung eine Klausel, wonach der Auftragnehmer bei der schuldhaften Überschreitung des vereinbarten Fertigstellungstermins eine Vertragsstrafe schuldet, war diese Klausel schon bislang nur dann wirksam, wenn sie insbesondere der Höhe nach den Auftragnehmer nicht unangemessen benachteiligt. Dazu hatte der Bundesgerichtshof vor einigen Jahren entschieden, dass eine solche Vertragsstrafenklausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Auftraggebers 5 % des Vergütungsanspruchs des Auftragnehmers nicht übersteigen dürfe, andernfalls die Vertragsstrafenklausel unwirksam sei, weil sie den Auftragnehmer im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unangemessen benachteilige.
Etabliert haben sich, nicht zuletzt mit Rücksicht auf diese Rechtsprechung, in der Baupraxis nahezu ausnahmslos Klauseln, die die Höhe der gegebenenfalls geschuldeten Vertragsstrafe mit einem %-Satz einer Bezugsgröße festlegen. Denkbare – und häufig verwendete – Bezugsgröße war dabei die Auftragssumme. Aus Gründen der Transparenz wurde in Klauselwerken in der Regel klargestellt, dass damit die Netto-Auftragssumme ohne Umsatzsteuer gemeint sei. Zudem findet sich in vielen Verträgen Definitionen, was unter der Auftragssumme zu verstehen ist. Etwa beim Einheitspreisvertrag wird in der Regel als Auftragssumme derjenige Betrag zu verstehen sein, den der Auftragnehmer mit dem von ihm bepreisten Leistungsverzeichnis unter Berücksichtigung von Nachlässen anbietet. In Abgrenzung hierzu steht etwa die Abrechnungssumme oder auch derjenige Betrag, der dem Auftragnehmer objektiv richtigerweise als Vergütung zusteht – was dem Schlussrechnungsbetrag des Auftragnehmers entsprechen kann, aber nicht entsprechen muss (und häufig auch nicht entspricht, wenn Auftragnehmer und Auftraggeber hinsichtlich der erbrachten Mengen oder Nachtragsleistungen unterschiedliche Auffassungen haben).
Mit seinem Urteil vom 15.02.2024 (VII ZR 42/22) hat der Bundesgerichtshof nun entschieden, dass eine Vertragsstrafenklausel in AGB des Auftraggebers, die eine Vertragsstrafe in Höhe von 5 % des Netto-Auftragswerts festlegt, jedenfalls dann den Auftragnehmer unangemessen benachteiligt, wenn der so bezeichnete Auftragswert – wie im vom Bundegerichtshof entschiedenen Fall – derjenige Auftragswert ist, der im Auftragsschreiben des Auftraggebers genannt wird.
Der Bundesgerichtshof begründet diese Entscheidung damit, dass die von ihm selbst bislang definierte Schwelle von 5 % dann den Auftragnehmer unangemessen benachteiligt, wenn die Bezugsgröße für die Ermittlung der Vertragsstrafe so gewählt ist, dass die Vertragsstrafe 5 % der objektiv dem Auftragnehmer zustehenden Vergütung übersteigen kann. Das ist beim Einheitspreisvertrag dann der Fall, wenn die Vertragsstrafe von 5 % sich auf die Auftragssumme bezieht, die der Auftragnehmer mit seinem Angebot anbietet, in der Regel als Gesamtpreis eines bepreisten Leistungsverzeichnisses mit Einheitspreisen. Denn es ist dem Einheitspreisvertrag stets immanent, dass die vom Auftragnehmer letztendlich tatsächlich verdiente Vergütung niedriger ist als die ursprünglich als Gesamtpreis angebotene Summe. Immerhin kann es bei einem Einheitspreis immer zum Wegfall bzw. zur Minderung von Mengen kommen, so dass der Vergütungsanspruch des Auftragnehmers im Verhältnis zur ursprünglichen Auftragssumme sinkt, den die Mengenvordersätze des Auftrags-Leistungsverzeichnisses eines Einheitspreisvertrags sind immer nur geschätzt.
Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellt damit einen weiteren Baustein in seiner ausdifferenzierten Rechtsprechung zu Vertragsstrafenklauseln dar. Sie ist konsequent und dürfte eine Vielzahl an bereits geschlossenen Verträgen betreffen, die längst in der Abwicklung sind. Bei der künftigen Vertragsgestaltung werden die Grenzen, die der Bundesgerichtshof beschreibt, beachtet werden müssen, will der Auftraggeber das Instrument der Vertragsstrafe auch beim Einheitspreisvertrag nutzen.