20.10.2023

Ab 25.10.2023: eForms ersetzen Standardformulare

von Martin vom Brocke

Und: Streichung von § 3 Abs. 7 S. 2 VgV

 

In Vergabeverfahren der öffentlichen Hand, deren Auftragswerte oberhalb der einschlägigen Schwellenwerte für europaweite Verfahren liegen, werden seit etlichen Jahren Standardformulare verwendet. Diese Standardformulare sind europaweit vereinheitlicht und durch eine Durchführungsverordnung der Europäischen Kommission zwingend vorgegeben. Sie dienen der Veröffentlichung von Bekanntmachungen im „Tenders Electronic Daily“ (TED) des Amts für Veröffentlichungen der EU.

 

Diese etablierten Standardformulare werden ab dem 25.10.2023 auf EU-Ebene zwingend durch die neuen eForms ersetzt (Durchführungsverordnung (EU) 2019/1780 der EU-Kommission vom 23. September 2019). Sie sollen – so die Kommission – im Mittelpunkt des digitalen Wandels des öffentlichen Auftragswesens stehen und durch die Verwendung eines gemeinsamen Standards einer gemeinsamen Terminologie die Qualität und Analyse von Daten erheblich verbessern.

 

Mit den eForms werden die aus den durchaus bewährten bisherigen Standardformularen bekannten Wege zumindest in Teilen verlassen. Ihr Aufbau unterscheidet sich von den bisherigen Standardformularen erheblich. Übersichtlicher geworden sind die eForms bedauerlicherweise nicht. Auftraggeber und auch Bieter werden sich an neue Ansichten und Oberflächen gewöhnen müssen, um die für sie relevanten Informationen zu Ausschreibung zu finden beziehungsweise, welche Informationen wo einzutragen sind. Bislang aus Standardformularen bekannte Abschnitte, in denen beispielsweise Informationen zu Rechtsbehelfen und der zuständigen Stelle für Rechtsbehelfe zu finden waren, fehlen nunmehr in den eForms. Die entsprechenden Informationen sind in den eForms vielmehr auf Felder an verschiedenen Stellen verteilt. Für Auftraggeber werden sich aus dieser Umstellung zumindest für eine gewisse Zeit gewisse Unsicherheiten ergeben, wie eine europaweite Bekanntmachung mittels eForms so erstellt wird, dass sie den Anforderungen an das vergaberechtliche Transparenzgebot entspricht.

 

Zwar gilt die Durchführungsverordnung (EU) 2019/1780 unmittelbar auch im nationalen Recht. Deutschland hat aber flankierend eine Verordnung erlassen, mit denen das deutsche Vergaberecht ergänzend angepasst wird (Verordnung zur Anpassung des Vergaberechts an die Einführung neuer elektronischer Standardformulare („eForms“) für EU-Bekanntmachungen und an weitere europarechtliche Anforderungen, (BT-Drs. 20/6118).

 

Mit dieser wurde unter anderem die Vergabeverordnung (VgV) in mehrfacher Hinsicht geändert; so wurde zentral § 10a VgV neu eingefügt. Diese Regelung führt insbesondere einen „Datenservice öffentlicher Einkauf“ ein, der beispielsweise über einen „eSender Hub“ als Verteilstation für Auftragsbekanntmachungen fungiert, je nachdem, ob Bekanntmachungen europaweite Vergaben betreffen oder nicht.

 

Der „Datenservice öffentlicher Einkauf“ soll über die bereits bekannten Vergabeplattformen von Drittanbietern angesteuert werden können. Seine Nutzung ist für Auftraggeber zur Veröffentlichungen von Bekanntmachungen ab dem 25.10.2023 verpflichtend; eine andere Übermittlung von Bekanntmachungen an TED zur Veröffentlichung ist nicht zulässig. Auch freiwillige europaweite Bekanntmachungen können im Ergebnis ab dem 25.10.2023 bis auf Weiteres wohl nur noch über den „Datenservice öffentlicher Einkauf“ und damit über die etablierten Vergabeplattformen veröffentlicht werden. Ob künftig Ausschreibungen, die nicht über eine Vergabeplattform eingereicht werden sollen, auch über ein „Redaktionssystem“ im „Datenservice Öffentlicher Einkauf“ oder auf einem anderweitigen Weg erfasst und so veröffentlicht werden können, scheint noch offen.

 

Quasi im Windschatten der Umstellung auf eForms bereinigte die Bundesregierung in derselben Rechtsverordnung eine zwischen Deutschland und der Europäischen Kommission lange schwelende Frage: § 3 Abs. 7 S. 2 VgV wurde ersatzlos gestrichen. Diese Regelung bestimmte, dass der Auftragswert bei Vergaben von Planungsleistungen in mehreren Losen nur dann zusammengerechnet wurde, wenn es sich um Lose über gleichartige Leistungen handelte. Zugleich orientierte sich die vergaberechtliche Rechtsprechung dabei in Teilen den Leistungsbildern der HOAI und verstand nur solche Planungsleistungen als „gleichartig“, die dasselbe Leistungsbild der HOAI zum Gegenstand hatten.

 

Die Europäische Kommission hatte deshalb diese Norm bereits in mehreren Verfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland kritisiert, weil sie gegen europäisches Recht verstoße. Hierauf reagierte Deutschland nunmehr mit der Streichung dieser Bestimmung. Bemerkenswert daran ist allerdings, dass die Bundesregierung in der amtlichen Begründung ihrer Verordnung ausdrücklich klarstellt, dass diese Streichung an der Rechtslage im Ergebnis nichts ändert. Auch die erläuternden Hinweise, die zwischenzeitlich durch Ministerien veröffentlicht wurden, betonen, dass § 3 Abs. S. 2 VgV der Rechtsauffassung der Europäischen Kommission an sich nicht entgegengestanden hätte. Die Streichung dieser Bestimmung soll damit wohl eher „vorsorglich“ erfolgt sein.

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