1. Vorformulierte Sicherungsabreden benachteiligen den Auftragnehmer unangemessen und sind unwirksam, wenn der Auftraggeber missbräuchlich eigene Interessen durchsetzt, ohne die Interessen des Auftragnehmers ausreichend zu berücksichtigen.
2. Eine Abrede im Generalunternehmervertrag wonach der Auftragnehmer seine Erfüllungs- und Gewährleistungsansprüche gegen seinen Nachunternehmer an seinen Auftraggeber abtritt, ist unwirksam, wenn sie über das “Höchstmaß” der zu stellenden Sicherheiten hinausgeht.
3. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch aus der Gesamtwirkung mehrerer, für sich genommen nicht zu beanstandender Vertragsbestimmungen ergeben. Dies umfasst auch solche Klauseln, die nicht zu einem unmittelbaren Entzug von Liquidität auf Seiten des Auftragnehmers führen.
OLG Oldenburg, Urteil vom 24.01.2025 – 14 U 59/24 (Vorhergehend: LG Osnabrück, 10.04.2024 – 11 O 192/23)
Sachverhalt
Die Klägerin beauftragte die Streithelferin als Generalunternehmer im Rahmen eines Bauvorhabens. Die Beklagte ist Nachunternehmerin der Streithelferin. Die Klägerin verlangt mit der Klage von der Beklagten Herausgabe einer Trafo-Station und Ersatz weiterer verzugsbedingter Schäden. Die Beklagte hat die Trafo-Station fertiggestellt und die Leistungen wurden bezahlt. Der Generalunternehmervertrag (GU-Vertrag) zwischen der Klägerin und der Streithelferin enthält folgende Klauseln:
„§ 11 Vertragserfüllungs- und Gewährleistungssicherheit
1. Als Sicherheit für die Erfüllung sämtlicher Verpflichtungen aus diesem Vertrag, insbesondere für die vertragsgemäße Ausführung der Leistung, hat der AN eine Sicherheit in Höhe von 10% der Bruttoauftragssumme zu stellen. Solange der AN die Sicherheitsleistung noch nicht gestellt hat, ist der AG berechtigt, von den Abschlagszahlungen jeweils einen Betrag von bis zu 10% der jeweiligen Abrechnungssumme einzubehalten, bis die Höhe der vereinbarten Sicherheitsleistung erreicht ist. Der AN ist berechtigt, die Sicherheit in Form einer Bürgschaft gemäß Ziffer 2 zu stellen. Der Sicherheitseinbehalt ist gegen Stellung der Bürgschaft auszuzahlen. Der Sicherungszweck der Sicherheitsleistung entfällt mit vorbehaltloser Abnahme der Leistung, die Sicherheitsleistung ist in diesem Fall unverzüglich zurückzugeben.
2. Als Sicherheit für Mängelbeseitigungs- und Schadensersatzansprüche des AG hat der AN eine Sicherheit von 5 % der Bruttoauftragssumme zu stellen. Solange der AN die Sicherheit noch nicht gestellt hat, ist der AG berechtigt, bei der Schlusszahlung 5 % des in Rechnung gestellten Bruttobetrages einzubehalten. Der AN ist berechtigt, die Sicherheit in Form einer Bürgschaft gemäß Ziffer 3 über den gesamten Sicherheitsbetrag zu stellen. Der Sicherheitseinbehalt ist gegen Stellung der Bürgschaft auszuzahlen.
(…)
§ 14 Nachunternehmer, Arbeitskräfte
(…)
4. Der AN tritt hiermit seine Erfüllungs- und Gewährleistungsansprüche gegen die Nachunternehmer zur Sicherheit an den AG ab, welcher die Abtretung annimmt. Der AG darf die Abtretung erst offenlegen, wenn der AN mit vertraglichen Leistungen in Verzug ist.“
Der GU-Vertrag wurde jeweils von der Klägerin und der Streithelferin gekündigt. Die Klägerin macht daraufhin oben genannte Ansprüche gegen die Beklagte geltend und beruft sich auf die Sicherungsabtretung in § 14 Abs.4 des GU-Vertrags.
Das Landgericht gibt der Klage mit der Begründung, die Klägerin sei durch eine vertraglich vereinbarte Abtretung berechtigt, diesen Anspruch geltend zu machen, statt. Die Abtretung sei nicht unwirksam nach § 307 Abs. 1 BGB, da sie keine unangemessene Benachteiligung darstelle. Insbesondere führe sie nicht zu einem zusätzlichen Liquiditätsverlust für die Streithelferin, da die Offenlegung der Abtretung nur im Verzugsfall erlaubt sei. Zudem habe die Klägerin ein berechtigtes Interesse an der Sicherungsabtretung, um die Bauausführung zu gewährleisten. Die Beklagte könne aus dem Sicherungsvertrag zwischen der Klägerin und der Streithelferin keine Rechte ableiten. Das Gericht nimmt mit seiner Begründung damit Bezug auf die Entscheidung des OLG Frankfurt (Urteil vom 24. Februar 2023 – 21 U 95/21).
Gegen dieses Urteil wendet sich die Streithelferin mit der im Namen der Beklagten eingelegten Berufung. Mit Erfolg!
Entscheidung
Das OLG ändert das Urteil des Landgerichts und weist die Klage mit der Begründung, dass § 14 Abs.4 des GU-Vertrags gem. § 307 BGB unwirksam und die Klägerin daher nicht aktivlegitimiert ist, ab. Der fehlende unmittelbare Entzug von Liquidität (wie dies im Fall von Sicherheitsleistungen, Einbehalten und Bürgschaften der Fall ist) verbietet eine Gesamtbetrachtung der vertraglichen Abreden nicht.
Zur Unwirksamkeit des § 14 Abs. 4 des GU-Vertrages führt das OLG aus, dass durch Kumulation mehrerer Vertragsbestimmungen eine unangemessene Benachteiligung der Streithelferin gegeben ist. Eine Übersicherung ergibt sich im vorliegenden Fall aus der Kumulation zwischen § 11 Abs.1 und Abs.2 und § 14 Abs. 4 des GU-Vertrags. Die Klägerin erhält durch die erfolgte Sicherungsabtretung weitere Sicherheiten, die dasselbe Vertragsinteresse absichern wie die Vertragserfüllungssicherheit und die Gewährleistungssicherheit. Denn die vertraglichen Erfüllungs- und Gewährleistungsansprüche, die der Streithelferin gegen ihren Nachunternehmer (die Beklagte) zustehen, sind deckungsgleich mit den vertraglichen Erfüllungs- und Gewährleistungsansprüchen, die der Klägerin gegenüber der Streithelferin zustehen.
Die zusätzliche Sicherungsabtretung berücksichtigt die Interessen der Streithelferin nicht, da die Beklagte der Klägerin keine Einreden aus der Sicherungsabrede mit der Streithelferin entgegenhalten kann. Gleichzeitig kann die Klägerin durch die Abtretung die Vertragserfüllung von der Beklagten erzwingen und so einseitig über den Eintritt des Sicherungsfalls (Verzug) entscheiden. Dies hebelt wiederum das Leistungsverweigerungsrecht der Streithelferin aus der Sicherungsabrede aus und zwingt sie das Insolvenzrisiko der Klägerin zu tragen, da ihr lediglich Schadensersatzansprüche wegen Verletzung der Sicherungsabrede verbleiben.
Das Interesse der Klägerin an der Vertragserfüllung ist zwar grundsätzlich berechtigt, insbesondere wenn eine Störung im Nachunternehmerverhältnis Auswirkungen auf das Hauptvertragsverhältnis hat. Allerdings enthält § 14 Abs. 4 keine Einschränkung auf diesen Fall. In Kumulation mit § 11 führt dies bei einer Gesamtbetrachtung zu einer unangemessenen Benachteiligung der Streithelferin und somit zu einer Unwirksamkeit der Sicherheitenabreden.
Praxishinweis
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs benachteiligen Sicherungsabreden den Auftragnehmer gemäß § 307 Abs. 1 BGB unangemessen und sind unwirksam, wenn der Verwender missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne die Interessen des Vertragspartners hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen. Dies kann sich auch aus einer Gesamtwirkung mehrerer jeweils für sich genommen nicht zu beanstandender Vertragsbestimmungen ergeben, wie beispielsweise
Im Rahmen der Vertragserstellung sowie der der Geltendmachung oder Abwehr von Ansprüchen auf sowie aus Bürgschaft ist daher die Sicherheitenabrede konkret zu prüfen, da mit der Wirksamkeit von dieser etwaige Ansprüche stehen und fallen.