20.10.2022

Pflicht zum Abruf des Wettbewerbsregisters für öffentliche Auftraggeber

von Martin vom Brocke

Seit dem 01.06.2022 sind öffentliche Auftraggeber ab einem Auftragswert von 30.000 Euro gesetzlich verpflichtet, in einem Vergabeverfahren vor dem Zuschlag das Wettbewerbsregister abzufragen.

Mit dem Wettbewerbsregistergesetz (WRegG) hat der Bundesgesetzgeber bereits im Jahr 2017 die Einrichtung und den Betrieb eines bundesweiten Wettbewerbsregisters beschlossen. Dieses neue Register erfüllt bundeseinheitlich die Funktionen des bisherigen Gewerbezentralregisters beziehungsweise der Korruptionsregister der Länder und wird elektronisch beim Bundeskartellamt geführt.

In das Wettbewerbsregister werden gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 WRegG insbesondere rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilungen und Strafbefehle eingetragen, die im vergaberechtlichen Sinn zwingende Ausschlussgründe im Sinne des § 123 Abs. 1 GWB darstellen. Eingetragen werden auch Verurteilungen wegen Betrugs (§ 263 StGB), Subventionsbetrugs (§ 264 StGB) oder beispielsweise wegen des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB), wegen Steuerhinterziehung (§ 370 AO) sowie wegen wettbewerbsbeschränkender Absprachen bei Ausschreibungen (§ 298 StGB). Andere strafrechtliche Verurteilungen und Bußgeldentscheidungen gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 WRegG, wie beispielsweise nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz und dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz werden nur bei Überschreiten von Bagatellgrenzen (Freiheitsstrafe von mehr als 3 Monaten, Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen, Geldbuße von mehr als 2.500 Euro) in das Wettbewerbsregister eingetragen. Eingetragen werden Verstöße von natürlichen Personen zu Lasten eines Unternehmens dann, wenn die natürliche Person als für die Leitung des betreffenden Unternehmens verantwortliche Person gehandelt hat (§ 2 Abs. 3 WRegG). Über eine vorgesehene Eintragung im Wettbewerbsregister muss die betroffene natürliche oder juristische Person unterrichtet werden, auch um Rechtsschutz gegen die bevorstehende Eintragung suchen zu können.

Seit dem 01.12.2021 müssen meldefähige Verstöße in das Wettbewerbsregister von den Strafverfolgungs- und Bußgeldbehörden eingetragen werden; seit diesem Datum konnten öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 99 GWB, Sektorenauftraggeber im Sinne des § 100 Abs. 1 GWB und Konzessionsgeber im Sinne des § 101 GWB das Wettbewerbsregister im Zuge eines Vergabeverfahrens freiwillig abfragen.

Seit dem 01.06.2022 sind nun öffentliche Auftraggeber ab einem Auftragswert von 30.000 Euro vor dem Zuschlag verpflichtet, beim Wettbewerbsregister abzufragen, ob Eintragungen zu dem für den Zuschlag vorgesehenen Bieter gespeichert sind. Für Sektorenauftraggeber und Konzessionsgeber gilt diese Verpflichtung bei Vergabeverfahren nur oberhalb der EU-Schwellenwerte.

Die Pflicht zur Abfrage des Wettbewerbsregisters vor dem Zuschlag ist von Auftraggebern unbedingt ernst zu nehmen. Das gilt, obwohl die Verletzung der Abfragepflicht nicht unmittelbar durch das WRegG sanktioniert ist (etwa durch einen Bußgeldtatbestand) und die reine Verletzung der Abfragepflicht durch den Auftraggeber mangels Bieterschutz von einem Bieter auch nicht gerügt werden kann. Die Abfrage des Wettbewerbsregisters durch Auftraggeber dient nämlich der Verifizierung, ob Eigenerklärungen des Zuschlagsbieters im laufenden Vergabeverfahren über das Nichtvorliegen von Ausschlussgründen korrekt sind oder nicht. Über diese Abfrage kann und soll ein Auftraggeber vor dem Zuschlag feststellen, ob der für den Zuschlag vorgesehene Bieter insbesondere zwingende Ausschlussgründe im Sinne des § 123 GWB verwirkt hat und ihm deshalb der Zuschlag nicht erteilt werden darf. Die Abfrage des Wettbewerbsregisters durch den Auftraggeber setzt allerdings eine – einmalige – Registrierung des Auftraggebers voraus. Wegen der diesbezüglichen Verfahrensvorgaben des Bundeskartellamts sollten Auftraggeber sich möglichst frühzeitig registrieren.

Sinnvollerweise empfiehlt sich die Abfrage des Wettbewerbsregisters, bevor denjenigen Bietern, die nicht für den Zuschlag vorgesehen sind, das Informations- und Absageschreiben gemäß § 134 GWB übersandt wird. So lassen sich Rügen und gegebenenfalls Nachprüfungsverfahren vermeiden, falls nämlich der ursprüngliche Zuschlagsbieter entgegen seiner Eigenerklärung zwingend gemäß § 123 GWB auszuschließen ist und seine Konkurrenten davon Kenntnis haben. Insbesondere das Gewerbezentralregister kann und sollte auch während einer Übergangszeit von 3 Jahren ergänzend abgefragt werden.

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