BGH, Urteil v. 19.09.2024 – VII ZR 10/24
Ansprüche des Auftragnehmers auf Mehrvergütung, Entschädigung oder Schadensersatz wegen Störungen und Verlängerungen des Bauablaufs bleiben ein recht zahnloses Schwert – auch bei Vereinbarung der VOB/B.
Nachdem der Bundesgerichtshof mit seinen Urteilen vom 20.04.2017 (VII ZR 194/13) und insbesondere vom 26.10.2017 (VII ZR 16/17) den Anwendungsbereich des § 642 BGB (Mitwirkung des Besteller) sehr klar konturierte und dabei eng fasste, nahm insbesondere das KG Berlin an, bei eingetretenen leistungshindernden Umständen könne in der Übersendung neuer, überarbeiteter Terminpläne durch den Auftraggeber eine „andere Anordnung“ zu sehen sein, die den Auftragnehmer zur Anpassung der Vergütung gemäß oder in entsprechender Anwendung von § 2 Abs.5 VOB/B berechtigte.
Dieser Auffassung erteilte der Bundesgerichtshof nun eine Absage. Die reine Übersendung eines neuen, überarbeiteten Terminplans durch den Auftraggeber mit der Nennung eines neuen Fertigstellungstermins sei jedenfalls dann keine „andere Anordnung“ im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B, wenn der überarbeitete Terminplan alleine die bislang aufgetretenen leistungshindernden Umstände berücksichtigt und den sich aus ihnen gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 1a) VOB/B ergebenden neuen Fertigstellungstermin abbildet. In diesem Fall stelle die Übersendung des überarbeiteten Terminplans im Ergebnis eine reine Wissens- keine Willenserklärung dar, mit der der Auftraggeber die bei Vertragsschluss vereinbarten Auswirkungen faktisch eingetretener Behinderungen lediglich dokumentiert und seinem Auftragnehmer mitteilt. Damit erfüllt der Auftraggeber zugleich lediglich seine Koordinierungspflicht.
Diese Entscheidung des Bundesgerichtshofs verdeutlicht – auch in ihren weiteren Erwägungen – ein weiteres Mal, wie schwierig die gerichtliche Durchsetzung bauzeitbedingter monetärer Ansprüche für Auftragnehmer ist, wenn es an konkreten Vereinbarungen der Parteien zu den Folgen im Bauablauf auftretender leistungshindernder Umstände fehlt.
Der vom Auftragnehmer geltend gemachte Anspruch aus § 2 Abs. 5 VOB/B scheiterte nach der vom Bundesgerichtshof für revisionsrechtlich zutreffend gehaltenen Auslegung, dass die reine Übersendung neuer Terminpläne keine rechtsgeschäftliche Erklärung des Auftraggebers sei, mit der der Auftraggeber einseitig eine Änderung der Vertragspflichten des Auftragnehmers herbeiführen möchte – also keine „anderweitige Anordnung“ im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B. Gleiches gelte, wenn der Auftraggeber nur das Vorliegen leistungshindernder Umstände mitteile und die (vertraglich vereinbarten) Auswirkungen auf die Leistungspflichten des Auftragnehmers mitteile, etwa nämlich, dass der Auftragnehmer derzeit nicht leisten könne und sich ein Fertigstellungstermin verschiebe. Im Ergebnis bestätige der Auftraggeber damit nur das, was durch die Behinderung ohnehin gegeben ist.
Entgegen der – insbesondere vom KG in seinem Urteil vom 29.01.2019 (21 U 122/18) vertretenen Auffassung, wonach der Auftragnehmer einen Anspruch auf Anpassung der Vergütung auf § 2 Abs. 5 VOB/B stützen könne – , verbleibe es in solchen Fällen vielmehr bei Ansprüchen aus § 6 Abs. 6 VOB/B oder § 642 BGB.
Auch diese Anspruchsgrundlagen prüfte der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 19.09.2024. Im Ergebnis war nach seinem Urteil aber die vorangegangene Entscheidung des OLG Dresden nicht zu beanstanden, wonach dem Auftragnehmer auch aus diesen Anspruchsgrundlagen keine Ansprüche zustanden. An dieser Stelle zeigte sich, dass der Auftragnehmer sich mit seiner Konzentration auf die Begründung eines Anspruchs gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B die Darlegung eines Anspruchs aus § 6 Abs. 6 VOB/B oder § 642 BGB wohl etwas verstellt hatte. Zu einem Anspruch aus § 6 Abs. 6 VOB/B fehlte es offenbar unter anderem an einer diesbezüglichen baubablaufbezogenen Darstellung, die diese Anspruchsgrundlage auszufüllen geeignet gewesen wäre. Der Auftragnehmer hatte nicht konkret genug dargelegt, welche Pflichtverletzung des Auftraggebers zu welcher Verzögerung und damit zu welchem Schaden führte.
Weil diese Frage deshalb nicht entscheidungserheblich war, konnte der Bundesgerichtshof es offen lassen, ob die verspätete Lieferung von Ausführungsplänen durch den Auftraggeber im VOB/B-Vertrag eine Pflichtverletzung – und nicht nur eine Obliegenheitsverletzung – des Auftraggebers ist oder sein kann, die zu Schadensersatzansprüchen führen könnte. Diese derzeit durchaus umstrittene Rechtsfrage harrt deshalb weiter der Entscheidung durch den Bundesgerichtshof.
Außerdem hatte der Auftragnehmer nichts zu unproduktiv vorgehaltenen Produktionsmitteln während der Dauer des Annahmeverzugs des Auftraggebers vorgetragen, wie es § 642 BGB erfordert. Deshalb schied auch ein Anspruch auf Entschädigung nach dieser Regelung aus.
Die – sehr lesenswerte – Entscheidung des Bundesgerichtshofs verdeutlicht: Im Sinne kooperativen Bauens ist es für die Bauparteien angezeigt, bis zu einer etwaigen gesetzlichen Neuregelung bauzeitbedingter Ansprüche vor oder während des Bauablaufs Vereinbarungen zu treffen, wie nicht nur mit den terminlichen, sondern auch mit den finanziellen Folgen gestörter Bauabläufe umgegangen werden soll. Andernfalls entstehen unweigerlich Konflikte um die Begründung häufig plausibler und auch für den Auftraggeber im Ausgangspunkt nachvollziehbarer monetärer Belastungen des Auftragnehmers, die zu langwierigen und häufig unbefriedigenden Auseinandersetzungen führen.