12.08.2024

Abrechnung bei „Nullpositionen“ / Unwirksamkeit Vertragsstrafe und Sicherheitseinbehalt

von Dr. Frank Maier

1. Ordnet der Auftraggeber beim Einheitspreisvertrag nachträglich den Wegfall einzelner Leistungen an und kommen diese Leistungen dann letztlich einvernehmlich nicht zur Ausführung, liegt keine Mengenminderung gemäß § 2 VOB/B vor. Für die „Nullpositionen“ kommt dann – soweit die Parteien nichts anders vereinbaren – nur eine Abrechnung nach § 8 VOB/B bzw. § 648 BGB (analog) in Betracht.

2. Eine AGB-Klausel, nach der die Vertragsstrafe für die Überschreitung der Fertigstellungsfrist auf 5 % der vor der Ausführung des Auftrags vereinbarten Nettoauftragssumme begrenzt ist, beeinträchtigt beim Einheitspreisvertrag den Auftragnehmer nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen.

3. Dies gilt auch, wenn unklar ist, ob mit der Klausel auf die Nettoangebotssumme oder die Nettoschlussrechnungssumme Bezug genommen wird. Diese Unklarheit geht gem. § 305c Abs. 2 BGB bei der Auslegung zu Lasten des Verwenders.

4. Eine AGB-Klausel, die als Sicherungsvereinbarung einen 5% – Einbehalt vorsieht, ohne den Zeitraum für den Einbehalt zu regeln, benachteiligt den Auftragnehmer unangemessen, weil der Auftraggeber die Bürgschaft dann nach seinem Belieben befristen kann.

OLG Hamm vom 05.07.2024 – 12 U 95/22

Sachverhalt:

Die Klägerin nimmt die Beklagte mit der Klage auf Zahlung restlichen Werklohns für die Herstellung und den Einbau von Fenstern bei einem Neubauvorhaben in Anspruch. Mit Schreiben vom 06.11.2018 erteilte die Beklagte der Klägerin den Auftrag.

In einem Verhandlungsprotokoll hatten die Parteien folgende Ausführungsfristen geregelt: „Werkplanung nach Auftragserteilung 3 KW Montagebeginn 2. KW 2019/Fertigstellung 7 KW“.

Das Verhandlungsprotokoll wurde nach dem Auftragsschreiben Vertragsgrundlage.

Weiter wurde in dem Auftragsschreiben für Einbehalte folgendes geregelt:

Sie können Abschlagszahlungen nach Baufortschritt beanspruchen bis zu 90 % der Auftragssumme, weitere 5 % werden nach Abnahme bezahlt. Es wird ein Gewährleistungseinbehalt von 5 % der Auftragssumme vereinbart, der gegen Bankbürgschaft entsprechend der VOB/B abgelöst werden kann

und eine Vertragsstrafe wie folgt vereinbart:

Geraten Sie mit der Fertigstellung Ihrer Leistungen in Verzug, so sind Sie verpflichtet, uns für jeden Werktag des Verzugs eine Vertragsstrafe in Höhe von 0,2 % der Nettoauftragssumme zu zahlen, höchstens jedoch 5 % der Nettoauftragssumme.“

Nachträglich wurde von der Beklagten der Wegfall einzelner Leistungen aus dem Angebot der Klägerin angeordnet und von der Beklagten einvernehmlich akzeptiert. Am 17.07.2019 wurden die Bauleistungen technisch abgenommen.

Die Klägerin erstellte eine Schlussrechnung, die für die entfallenen Fensterelemente jeweils 50 % des ursprünglichen Auftragspreises auswies. Die Rechnung endete mit einer Nettoauftragssumme auf 361.827,77 EUR bzw. 430.575,05 EUR brutto. Unter Berücksichtigung der geleisteten Abschlagszahlungen in Höhe von insgesamt unstreitig 368.214,29 EUR verblieb eine Restforderung von 62.360,76 EUR brutto.

Nach Prüfung ergab sich für die Beklagte eine Nettorechnungssumme von 360.020,66 EUR. Ferner wurden von der Nettosumme u.a. eine Vertragsstrafe in Höhe von 18.169,70 EUR abgezogen. Demzufolge leistete die Beklagte nur eine Teilzahlung auf die Schlussrechnung der Klägerin. Die Klägerin erhob daraufhin Klage zum Landgericht, welches der Klage nur teilweise stattgab. Die Klägerin ging deshalb in die Berufung.

 

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hatte teilweise Erfolg.

  1. Zum Wegfall einzelner Positionen aus dem Leistungsumfang führte das OLG aus, dass der BGH mit Urteil vom 26.01.2012 – VII ZR 19/11 – entschieden hatte, dass der Auftragnehmer einen Anspruch nach Maßgabe des § 2 Nr. 3 Abs. 3 VOB/B haben kann, wenn Leistungspositionen im VOB/B-Einheitspreisvertrag entfallen (Nullpositionen). Ein dahin gehender Anspruch besteht, wenn der Entfall der Positionen auf einer Äquivalenzstörung beruht. Gelangen jedoch einzelne Leistungspositionen eines nach Einheitspreisen abzurechnenden Bauvertrages nicht zur Ausführung, ohne dass dies auf einer Kündigung, einem Verzicht oder einer Anordnung des Bestellers beruht, so entfällt nach in der Literatur einhellig vertretener Auffassung dadurch nicht der Anspruch des Auftragnehmers auf Vergütung in Höhe der Beträge, die er zur Deckung seiner unabhängig von der Leistungserbringung anfallenden Gemeinkosten sowie seines Gewinns in die Einheitspreise für die entfallenen Leistungen einkalkuliert hat. Umstritten ist hingegen die Frage nach den rechtlichen Grundlagen für diesen Vergütungsanspruch.  Der Weg über § 2 VOB/B kommt aber nur in Betracht, wenn ein Fall der Äquivalenzstörung vorliegt, weil  2 VOB/B einen interessengerechten Ausgleich für Mengenänderungen herbeiführen will, wenn sich die anfängliche Schätzung als unzutreffend erweist. Wenn aber der Auftraggeber auf eine bestimmte Position verzichtet, fällt dies nicht unter § 2 VOB/B, da der Verzicht nicht mit der Ungenauigkeit einer Prognose vergleichbar ist, was der BGH in seiner Entscheidung ausdrücklich hervorgehoben hat.

Für die Abrechnung solcher Nullpositionen kommt nur eine Abrechnung wie bei einer (Teil-) Kündigung nach § 8 VOB/B bzw. § 648 BGB in Betracht. Da die Nullpositionen vorliegend letztlich im Einvernehmen der Parteien nicht zur Ausführung gekommen sind, ist es nicht erheblich, ob eine Teilkündigung überhaupt zulässig war.

  1. Zur Unwirksamkeit der Vertragsstrafe führte das OLG aus, dass der BGH hat mit Urteil vom 15.02.2024 – VII ZR 42/22 – entschieden hatte, dass eine Klausel, mit welcher die Vertragsstrafe bei einem Einheitspreisvertrag auf „insgesamt 5 v. H. der im Auftragsschreiben genannten Auftragssumme“ begrenzt wird, gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam ist, weil die maßgebliche Bezugsgröße für die Grenze von 5 % des Vergütungsanspruchs die Abrechnungssumme in ihrer objektiv richtigen Höhe und nicht die Auftragssumme zu sein habe. Eine solche Regelung über die Bezugsgröße der Vertragsstrafe beeinträchtigt bei einem Einheitspreisvertrag den Auftragnehmer als Vertragspartner des Verwenders nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen. Die vorliegende zu beurteilende Vertragsstrafenklausel enthält ebenfalls keine Vorkehrungen für die Gefahr einer Überschreitung der für die Vertragsstrafe maßgeblichen Grenze und beschränkt sich lediglich auf die „Auftragssumme“. Sie ist daher ebenfalls unwirksam.

 

  1. Auch den vereinbarten Sicherheitseinbehalt hielt das OLG für unwirksam, weil es sich um eine von Beklagtenseite gestellte allgemeine Geschäftsbedingung handelt und diese nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam ist. Die Sicherungsvereinbarung sieht einen Einbehalt von 5 % der Auftragssumme vor, der gegen Bankbürgschaft entsprechend der VOB/B eingelöst werden kann. Der Zeitraum für den Einbehalt ist nicht geregelt. Ein solche Klausel benachteiligt den Auftragnehmer unangemessen. Denn sie ermöglicht dem Auftraggeber, die Bürgschaft nach seinem Belieben zu befristen. Für eine Begrenzung des Bestimmungsrechts auf die Dauer der Gewährleistungsfrist gibt die Klausel nichts her. Wäre dies gewollt gewesen, hätte dies zum Ausdruck gebracht werden müssen.

 

Die Entscheidung zeigt, dass es bei der Formulierung auch von üblichen vertraglichen Vereinbarungen in Bauverträgen regelmäßig auf Detailfragen ankommt, um deren Wirksamkeit zu beurteilen. Hätte die Vertragsstrafenklausel auf die „Abrechnungssumme in ihrer objektiv richtigen Höhe“ als Bezugsgröße abgestellt, wäre sie wirksam gewesen. Hätte die Regelung zum Sicherheitseinbehalt klarsgestellt, dass der Gewährleistungseinbehalt „für die Dauer der Gewährleistungsfrist“ gilt, wäre das Erfordernis des Zeitraumes für den Einbehalt klargestellt gewesen.

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