BGH, Urteil vom 26.01.2022 – VIII ZR 175/19
Die Kundin eines Energieversorgungsunternehmens forderte die Rückerstattung überzahlter Entgelte für Fernwärme aus den Jahren 2011 bis 2015. Sie stützt sich auf die Unwirksamkeit nachträglicher Preiserhöhungen durch den Energieversorger. Die von dem Energieversorger abgerechneten Entgelte beruhten auf einer vertraglichen Preisänderungsklausel, die sich u.a. an der Preisentwicklung von extraleichtem Heizöl orientierte. Zum 01.04.2014 änderte der Versorger diese Klausel und berechnete das Entgelt unter Verweis auf pauschalierte Indizes nur noch anhand eines Arbeits- und Grundpreises. Die Änderungen machte er öffentlich bekannt und informierte seine Kunden mit entsprechender Mitteilung.
Das Amtsgericht gab der Klage der Kundin für die Zeit bis zur Änderung der Berechnungsgrundlage statt. Für die Zeit ab der Änderung bestehe jedoch kein Rückzahlungsanspruch, da die Klausel nunmehr wirksam sei. Die Berufung des beklagten Energieversorgers vor dem Landgericht und auch die Revision vor dem BGH hatten im Hinblick auf die Rückerstattung der Entgelte für die Jahre 2011 bis 2014 keinen Erfolg. Die ursprüngliche Preisanpassungsklausel des Wärmelieferungsvertrags sei unwirksam, sodass bis zur Anpassung der Klausel der zu Vertragsbeginn wirksam vereinbarte Bezugspreis fortgelte. Die Anpassung der Klausel im Jahr 2014 sei mit Wirkung für die Zukunft jedoch zulässig.
Diese Entscheidung des BGH ist zusammen mit BGH, Urteil vom 06.04.2020 – VIII ZR 295/20 in einer Reihe von Entscheidungen zu sehen, die sich mit der Wirksamkeit von Preisänderungsklauseln in Fernwärmelieferverträgen befassen.
a) Unwirksame Klauseln können angepasst werden
Die von dem Energieversorger im Zeitraum von 2011 bis 2014 verwendete Preisanpassungsklausel war gemäß der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme (AVBFernwärmeV) iVm § 134 BGB nichtig. Sie verstieß gegen das Gebot der Kostenorientierung des § 24 Abs. 4 S. 1 AVBFernwärmeV, da kein ausreichender Bezug zu den tatsächlichen Bezugskosten des Energieversorgers bestand. Der Energieversorger konnte seine Preise daher nicht erhöhen. Er durfte jedoch gem. §§ 4 Abs. 1 und 2 iVm § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV die (unwirksamen) Preisanpassungsklauseln während der Vertragslaufzeit mit Wirkung für die Zukunft anpassen. Aus Sicht der Rechtsprechung ist dies im beiderseitigen Interesse, denn nur mit einer wirksamen Preisanpassungsklausel können Preiserhöhungen und Kostensenkungen gleichermaßen weitergereicht werden.
b) Preisermittlung mit Hilfe von Indizes ist zulässig
Der BGH gibt den Versorgungsunternehmen in seinem Urteil vom 06.04.2020 – VIII ZR 295/20 klare Vorgaben für die Gestaltung wirksamer Preisanpassungsklauseln an die Hand. Der in § 24 Abs. 4 S. 1 AVBFernwärmeV verankerte Grundsatz der Kostenorientierung hat oberste Priorität. Bei der Preisgestaltung müssen die Versorger sowohl ihre Kosten für die Erzeugung und Bereitstellung von Fernwärme (Kostenelement) als auch die jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt (Marktelement) angemessen berücksichtigen. Eine Bemessung der Preise an der tatsächlichen Kostenstruktur ist nicht erforderlich, solange ein hinreichender Bezug von Preisgestaltung und Kosten besteht. Dies kann über den Verweis auf pauschalierte Indizes, wie z.B. den Erzeugerpreisindex für gewerbliche Produkte, erreicht werden.
Die Relevanz dieses Themas kann sowohl für Versorger als auch für Kunden nicht hoch genug bewertet werden. Beide Parteien dürften ein großes Interesse daran haben, die Wirksamkeit der Preisanpassungsklauseln in ihren Fernwärmelieferverträgen zu überprüfen. Der BGH stärkt insbesondere die Versorger. Diese sind gleichermaßen berechtigt und verpflichtet, unwirksame Preisanpassungsklauseln einseitig zu ändern und durch solche zu ersetzen, die den Anforderungen des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV entsprechen. Das sorgt für Sicherheit und ermöglicht den Versorgern, ihre Preisanpassungsklauseln auch in bestehenden Verträgen so anzupassen, dass eine kosten- und marktorientierte Preisbemessung möglich bleibt. Der neu eingeführte § 24 Abs. 4 S. 4 AVBFernwärmeV steht dem nicht im Weg. Den Kunden der Energieversorger ist gerade in der heutigen Zeit zu raten, ihre Verträge auf unwirksame Preisanpassungsklauseln zu überprüfen.